Wahlvergleich

Polemik 10: Türkeiwahl, Bundestagswahl, Realität
Das Erwartete ist, wenn auch mit relativ knappem Ergebnis, eingetreten. Das türkische Volk wählte das Präsidialsystem von Sultan Erdogan. Und dieses Ergebnis ist nun zu respektieren.
Wir werden sehen, was dieses Präsidialsystem für einen Einfluss auf die deutsch-türkischen Beziehungen, die Nato im Allgemeinen und Europa im Besonderen hat. Vermutlich wenig, denn die politischen Erregungswellen klingen schon ab. Die Türkei ist schließlich NATO- und Flüchtlingspaktpartner. Jetzt wird schnell die mögliche Wiedereinführung der Todesstrafe als „Rote Linie für Europa“ ins Spiel gebracht. Denn dazu soll die türkische Bevölkerung in absehbarer Zeit abstimmen. (Aber auch im „Hort der Demokratie“, den USA, gibt es ja nachweislich die Todesstrafe noch. Und die Deutschen als Wahlvolk sind damals nicht gefragt worden, ob die Todesstrafe für einige besonders verwerfliche Delikte bestehen bleiben sollte.)
Hat Europa todesstrafenmäßig denn eine "Rote Linie" gezogen zu den USA, zu China oder zu Partner Saudi-Arabien, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Und es wird dauerhaft auch keine zur Türkei geben, nur Sturm im Wasserglas. Die Zukunft wird es zeigen...
Volksbegehren auf Bundesebene erlaubt das Grundgesetz nicht. Ist dies ein Hemmnis moderner Demokratie? Also nicht immer die Demokratie nur für sich reklamieren. Es gibt auch in der deutschen Demokratie noch erheblichen Nachholebedarf.

Und nun zurück zum türkischen Wahlergebnis (Artikel: Was finden Deutsch-Türken an Erdogan? SZ, DD vom 19.04.2017).
In Deutschland stimmten 63,1% (in der Türkei 51,4%) mit "Evet = Ja". Es gibt nur eine faktische Antwort – Mangelnde Integrationswilligkeit der 2. und 3. Generation der Türken in Deutschland und Defizite in der Integrationswilligkeit der deutschen Gesellschaft für Fremde -. Über die Gründe dafür lässt sich viel diskutieren, aber das ändert die Fakten nicht. Politiker aller Lager macht auch mal Politik entlang von Fakten und nicht nur in populistischen Sonntags-und Wahlreden.

Und jetzt kommt im zitierten Artikel noch „demokratische“ Zahlenakrobatik, wie sich Wahlforscher das Wahlergebnis schön reden können:
In absoluten Zahlen stimmten 412.149 Wahlberechtigte mit „Evet = Ja“. Doch nur die Hälfte der 1,43 Millionen Wahlberechtigten in Deutschland nahm an der Wahl teil, ergibt, dass nur noch 28,8 % der Wahlberechtigten mit „Evet = Ja“ stimmten. Zieht man nun in Betracht, dass ca. 3 Millionen Menschen mit türkischen Wurzeln in Deutschland leben, sind es nur noch 15%, die mit „Evet = Ja“ gestimmt haben. (Es stellt sich ja schon die erste Frage, wie viele der 3 Millionen „Wurzel-Türken“ sind noch türkische Staatsbürger? Ach ja da ist ja die Sache mit dem vererbbaren Doppelpass. Auch eine Frage der Integration! Andere Fragen erspare ich mir.)

Wenden wir uns doch einmal dem Bundestagswahlergebnis von 2013 zu, zum demokratischen Vergleich. Das hinsichtlich der Legitimation von Regierung und Opposition:
Etwa 61,8 Millionen Deutsche waren wahlberechtigt.

Wahlbeteiligung 71,5 % = 44,2 Mio. Wähler
CDU/CSU 41,5 % = 18,3 Mio. Wähler
SPD 25,7 % = 11,4 Mio. Wähler
Grüne 8,4 % = 3,7 Mio. Wähler
Linke 8,6 % = 3,8 Mio Wähler.
Andere = 7,1 Mio. Wähler

Die gegenwärtige „Merkel-Regierung (CDU/CSU + SPD)“ wurde von 29.7 Mio. Wählern gewählt, 61,8 Mio. Deutsche waren aber wahlberechtigt
Das bedeutet nur 48,0% der deutschen Wahlberechtigten wählte die jetzige Regierung. Sie ist also von weniger als der Hälfte der Wahlberechtigten legitimiert.

Und die Oppositionsparteien sprechen für jeweils ca. 6,1% der Wahlberechtigten.
Etwas Demut bei vielen parteipolitischen Aussagen, auch in Talk-Shows, wäre angebracht unter allen Demokraten.

Und was bringt die nächste Wahlauswertung in 2017 in den Politiker- Fernseh-Runden, wieder nicht die Prozente, betrachtet zu den Wahlberechtigten (Das machen wir nur bei anderen). Die eigenen Zahlen reden wir schön!