Eigenrecht

Polemik 2019-15: Rettung, Klima, Volkseinwand
Es scheint, dass heute jede politische Strömung ein eigenes Recht moralisch manipulativ aufbauen will, unabhängig davon, dass gegen geltende Gesetze verstoßen wird.
Seerecht: Am 12. Juni hatte die "Sea Watch 3, ein unter niederländischer Flagge fahrendes, von der deutschen Kapitänin Rackete geleitetes Schiff vor der libyschen Küste 53 Menschen aus Schlauchbooten aufgenommen und startete zur Überfahrt nach Europa (Italien). Bei einer Seenotrettung sollte ja eigentlich, nach meinem Verständnis, ein nächstgelegener Hafen (z.B. in Tunesien, in Marokko) angesteuert werden. Mit dieser „Seerechtsauslegung“ und dem verbotenen Ansteuern des italienischen Hafens auf Lampedusa wurde eigenes Recht kreiert. Wo ist die Grenze von Rettung und Überfahrt? Jetzt können die Gutmenschen und die Bösmenschen dieses erzwungene Recht ausfechten. Und wann wird „Recht“ durchgesetzt? Deutschland, Portugal, Frankreich, Finnland und Luxemburg wollen die Schiffsmigranten aufnehmen. Und wieso wollen nicht die Niederlande die Flüchtlinge aufnehmen? Das Schiff ist doch, zumindest auf hoher See, „fahrendes exterritoriales Gebiet“ der Niederlande.
Preisrecht: Nach dem neusten Klimaschutzkonzept der Grünen sollen Benzin/Diesel und Heizen teurer werden, Strom dafür billiger. Für einen Haushalt mit vier Personen werde die jährliche Stromrechnung wegen der Steuersenkung um etwa 60 Euro billiger. Zudem solle so ein Haushalt 100 Euro im Jahr "Energiegeld" bekommen. Benzin oder Diesel würden verschiedenen Berechnungen zufolge rund 10 Cent pro Liter teurer. Das Modell sei sozial ausgewogen, weil Menschen mit geringerem Einkommen in der Regel weniger Energie verbrauchten, wegen kleinerer Wohnungen und Autos. Klimaschutz bei keiner Mehrbelastung der Bevölkerung mit einem festgesetzten CO2-Preis zu erreichen, ist ein Glücksspiel. Aber ein diskutabler Ansatz. Warum rechnet man das Modell mit seinem Plus und Minus denn nicht mal anhand aller bekannten Daten für die „Beispielshaushalte“ durch, sondern bleibt allgemein. Es kann auch mal etwas teurer und unbeliebter werden auf Kosten von allen, wenn die Mehrheit von dieser Aktion überzeugt ist. Seid doch nicht so feige.
In der ganzen gegenwärtigen Klimadiskussion sollte man doch auch einmal nachhaken, ob das strikte, nicht technisch begründbare Abschalten der deutschen Kernkraftwerke nicht auch nach 2030 hätte erfolgen können. Vielleicht wäre dies für das Klima besser gewesen, wenn man die Dekarbonisierung vor der Denuklearisierung begonnen hätte. Es ging also gar nicht um die „klimaschutzrelevante CO2-Bilanz“ sondern um das Feindbild Kernkraft! So manipulativ ist Politik, auch schwarze, rote und grüne.
Bundestagsrecht: Die AfD hielt das Plenum des Bundestages in der Nacht zum 28.06.2019 für nicht beschlussfähig. Es hätten 355 Abgeordnete anwesend sein müssen, es waren aber nur 100 da. Wo waren sie denn? Im Bett! Da hatte diese Partei doch auch mal recht, oder?
Die grüne Parlamentsvizepräsidentin Claudia Roth, die die Sitzung leitete, sah das aber anders. Solange sich der Sitzungsvorstand einig ist, dass Beschlussfähigkeit besteht, kann kein „Hammelsprung“ (Zählung der Anwesenden) stattfinden. Dem Sitzungsvorstand gehörten in der Nacht neben Roth auch die beiden Schriftführer Strasser von der FDP und Oster von der CDU an
Und Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble sanktionierte das Vorgehen im Nachhinein mit der Feststellung: "Das Präsidium des Bundestages ist einhellig der Auffassung, dass der Sitzungsvorstand die Vorschriften der Geschäftsordnung über die Feststellung der Beschlussfähigkeit korrekt angewendet hat." Jetzt können sie noch nicht einmal zählen und zwischen 100 und 355 unterscheiden… Da sträubt sich einem das demokratische und mathematische Gefieder. Haben wir schon wieder “Nationale Front”?
Volksrecht: Ja, der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer reist im Vorfeld der Wahlen viel durchs Land und muss sich eben auch „Viel“ anhören. Eine erste Quintessenz ist, die Hürden der direkten Demokratie seien in Sachsen zu hoch. "Bürgerinnen und Bürger sollen nicht nur am Wahlsonntag verbindliche Entscheidungen treffen, sondern auch bei Gesetzen das letzte Wort haben", schrieb Kretschmer in der "Zeit". Deshalb schlage er den "Volkseinwand" vor. Bürger könnten damit über vom Landtag erlassene Gesetze noch einmal abstimmen. Dafür müssten Unterschriften von etwa fünf Prozent der Wahlberechtigten gesammelt werden.
Liegen sie vor, könnten alle Wahlberechtigten darüber abstimmen, ob das Gesetz in Kraft treten soll. Es zähle die einfache Mehrheit.
Den Umgang mit direkter Demokratie mal aufzurollen, ist im Computerzeitalter legitim und innovativ. Wie können wir in unsere Demokratie Bürgerbegehren, Bürgerentscheide, Volksbegehren, Volksentscheide, auch wegen mir den „Volkseinwand“ grundgesetzlich und technisch installieren. Die Verfügbarkeit der gesicherten Abstimmung per Computer ist für mich eine entscheidende Voraussetzung. Versucht neue Wege, um den politikinteressierten Bürger in den Zeiten zwischen den Wahlen aktiv in die Entscheidungsprozesse einzubeziehen. Die Lieblingskoalitionsparteienregierung kann ja im Detail auch mal falsch liegen, oder?