Talkshow-Politik

Polemik vom 10.07.2024

Ich schaue nur noch selten Talkshows im „Öffentlich Rechtlichen Rundfunk (ÖRR)“.
Das hat mehrere Gründe.
Man kann sich ja leider nicht in die Sendung aktiv einbringen und mitdiskutieren, sondern muss alles Gesagte einfach schlucken, regt sich also nur auf. Das interaktive Fernsehen wäre mal ein Versuch.
Kurz vor der Sommerpause habe ich mir die wöchentlichen Talkshows bewusst angeschaut und war wieder enttäuscht (Lanz, Illner, Miosga, Maischberger, hart aber fair).
Wo bleibt der/die Lehrer/In, der/die Hochschullehrer/In, wenn es um Bildung geht, die täglich praktizierenden Ärztinnen und Ärzte und das Pflegepersonal, wenn es um Gesundheisfragen geht. Wo bleibt der Klimawissenschaftler, der in einfachen Worten erklären kann, was in die Modelle zur Berechnung der Erderwärmung eingeflossen ist, welchen Fehlerbereich die Rechnungen haben, und ob man mit diesen Modellen auch die geschichtlichen Erdwarm- und Kaltzeiten nachmodellieren kann. Klimakleber und Klimaaktivisten sind da interessanter. Die Themenaufzählung und die bewusst fehlenden Personen ließen sich noch viel, viel weiter fortsetzen.
Wie meist wurden über Ansichten anderer, nicht-anwesender Personen und Parteien diskutiert. Doch eine Diskussion kommt kaum zu Stande, denn jede Person will ja nur schnell das eigene politische Statement zum Thema loswerden.
Am häufigsten waren lt. offizieller Statistik im ersten Halbjahr 2024 Vertreter der Union eingeladen, nämlich 81 (17 von der CSU, 64 von der CDU). Dahinter folgt die SPD mit 69 Gästen. Damit stellen beide Parteien mehr als die Hälfte aller Gäste. Auf den weiteren Plätzen liegen die anderen Regierungsparteien. So kommen die Grünen auf 44 Einladungen, während FDP-Vertreter 37mal zu Gast waren. Das neue Bündnis Sahra Wagenknecht war schon 14mal dabei, die Linke 12mal.
Die zweitstärkste Oppositionspartei im Bundestag aber, die AfD, war stolze 9mal vertreten. Die Gäste komplettierten zweimal die Freien Wähler sowie fünf Auftritte von parteilosen Politikern.
Stellen wir mal die Wahlergebnisse zur Europawahl dagegen:
Das Ergebnis der deutschen Europawahl stellt sich folgendermaßen dar (meine Polemik 23.06.2024, Denkfabrik): Die CDU darf 29 Abgeordnete stellen, die AfD 15, die SPD 14, die Grünen 12, das BSW 6 Parlamentarier, die FDP 5 und der Rest verteilt sich auf die sonstigen Parteien.
Vom gebührenfinanzierten ÖRR verlange ich bei so einem politisch ausgewiesenen Format, wie es die Talkshows sind, doch etwas auf den „Wählerproporz“ zu achten.
Da sollte doch die Wahldemokratie zumindest bei politischen Themen im ÖRR widergespiegelt werden. Ach so, ich hatte vergessen, die Moderatoren/Innen dürfen ja einladen wen sie wollen… Wer das noch glaubt in den Zeiten des „Voreilenden Gehorsams“?!
Auch mir gefällt manches Wahlergebnis nicht und manche Regierungsentscheidung und doch sollten wir uns immer wieder vor Augen halten, was Demokratie bedeutet.
Der aktive Meinungsaustausch, das Suchen nach politischen Kompromissen, die Akzeptanz des Rechtsstaates auf der Basis des Grundgesetzes sind wichtige Eckpfeiler. Das Volk (die Wählerinnen und Wähler) sind in einen Rechtsstaat der Souverän.

Im Sommerinterview des ZDF bezeichnete Frau Weidel (AfD) die Sicherheitslage, sicher auch vor dem Hintergrund der medial überbordend aufbereiteten Messerattacken, als sehr prekär und führte aus: „Menschen werden täglich auf den Straßen umgebracht“ und verwies auf eine angeblich explodierende Kriminalstatistik. Nach einem Faktencheck verlautet das ZDF: „Dass täglich Menschen auf den Straßen umgebracht würden, ist Unsinn.“
Laut der polizeilichen Kriminalstatistik wurden im vergangenen Jahr 214 Morde und 342 Fälle von Totschlag registriert. Dabei handelt es sich größtenteils um Taten, bei denen Täter und Opfer eine Beziehung zueinander hatten. Dass täglich Menschen „auf den Straßen umgebracht“ würden, ist schlichtweg falsch.
Also 214+342=556 und das Jahr hat 360 Tage. Theoretisch ist also 1mal pro Tag möglich. Was soll das Argument Täter und Opfer standen „größtenteils“ in einer Beziehung zueinander! Wenn schon Faktencheck, dann nennt doch die recherchierte Zahl, liebes ZDF. Also doch nur reagiert mit Gegenpolemik auf Polemik.
Fakten (Aussagechecks) sollten in Talkshows oder Interviews ein probates Mittel sein, um Un- und Halbwahrheiten für die Zuschauer sichtbar zu machen. Also macht es doch!
Und zwar sofort, noch in der Sendung!